Samstag, 24. Januar 2015

Raffi und die phösen Männer (und Frauen)

Sie sind dunkle Gestalten, in schwarz oder oliv-camo gehüllt, ihre Schritte ob der Schuhe schwer. Sie umgeben sich mit bizarren, sinistren Klängen und sind die Vorlage für waschechte HartzIV-TV Satanisten.

METALHEADS!

Diese obskure Gesellschaftsgruppe ist oft so phöse, dass sich Bierhumpen vor Lachen vom Tisch schmeissen. Die sind so dermassen phöse, die NÄHEN Bildchen ihrer Lieblingsbands auf Jeanswesten und hüpfen am helllichten Tag händchenhaltend über Blumenwwwaaaaaassss?!?!?!?!?!!!
Quelle: http://metalheadcovers.co.uk/wp-content/uploads/2012/11/LB5Z29371.jpg

Oooohhhhh, Leudeee, PHÖÖÖÖSEEEEE!!! STAY PHAD, erinnert ihr euch nicht?... Immer diese "Kräuter"-Metfreunde. o.O

Ok, jetzt ists raus... Wir sind gar nicht sooo phöse wie wir tun. Das ist gelebter Zynismus! Ehrlich, Leute, die meisten Metalheads sind ein Spiegel der Gesellschaft, ein Zerrspiegel. Wir hören brachialen Sound mit harten Texten voller Wut, Mord und Totschlag, von tiefen, harten Stimmen zum Besten gegeben. Sowas wie "Wir sind Verteidiger!!!, des wahren Blödsinns, Krieger in Schwarz-Rosa-Gold". Aber abseits des martialischen Erscheinungsbild und dem "organisierten Lärm", den wir Musik nennen, sind wir sehr freundliche,  friedliche und umgängliche Menschen und die meisten von uns akzeptieren einander eifach so wie wir halt sind. Wir mögen auch Kätzchen und Hündchen und Pferdchen und Schweinchen. Jaaah, die letzten zwei am liebsten vom Grill, aber sei's drum. 

Die "zivilisierte Gesellschaft", die wir so erfolgreich parodieren, kennt diese Elemente auch. Sie ordnen sie aber anders an.

Sie hören (mehr oder weniger) harmonische Musik mit freundlichen Texten. Und hinter umgänglichen Masken verstecken sie Personen voller Wut. Sie schicken Krieger, denen sie weismachen, Verteidiger zu sein zu irgendwelchen armen Hunden, damit sie sich dort wie die Schweine benehmen. Mit brachialer Gewalt verüben die dann organisierten Mord und Totschlag und wenn sie wieder zu Hause sind kennen sie nur zwei Themen, Kätzchen (also Frauen) und Pferdchen (Brummbrumm).

"Spass" beiseite, die "schwarze Szene" (Überschneidungen mit der Goth-Szene sind manchmal vorhanden) hat vielen eine Heimat geboten, die sonst keine gefunden haben.

Studien haben geziegt, dass sich in dieser "Peer-Group" sehr viele überdurchschnittlich intelligente Menschen sammeln, da die Klangstruktur im Metal sehr komplex ist und komplexe Klangstrukturen, wie auch in der Klassik, sind schwerer zu erfassen. Pop und Schlager dagegen sind strukturell eher einfach.
Aus persönlicher Erfahrung weiss ich, dass einigee aus meinem damaligen Umfeld selbst eine schwierige Geschichte haben und das prägt einen. Wer selbst einmal die Erfahrung gemacht hat, was es bedeutet langfristig regelmässig erniedrigt und fertig gemacht zu werden und dies übersteht, ohne antisoziale Persönlichkeitszüge zu entwickeln, der wird danach erst recht sozial sein. Wer weiss, was es bedeutet zu leiden, der versucht es Anderen zu ersparen... Die Anderen sind oft einfach tolle Menschen, die erstmal hinschauen und dann erst entscheiden ob sie dich mögen. Vorurteile sind selten und mag man sich nicht, geht man sich aus dem Weg, es ist genug Platz für alle da.

Vielleicht fragst du dich jetzt einige Dinge. Wieso Metal? Die Lautstärke an Konzerten muss doch für Lärmempfindliche noch x-fach schwerer zu ertragen sein, als für normale Menschen, oder? Und die ganzen Leute, das muss doch erst recht belasten...

Nun ja, damals haben 100dB dröhnende Base Drumm und kreischende, verzerrte E-Gitarre Freiheit bedeutet, ich war frei von der Gesellschaft, frei von Pflichten und Bürden des Alltags und frei von all den schmerzhaften Erinnerungen der vergangenen Jahre. Der Sturm der Klänge, den die Bands entfesselten, glich dem meiner Gefühle und die Welten, Aussen und Innen, schienen in Harmonie. Ich konnte im Sound untergehen und in der Menge. Tolle Erfahrung.

Kaum jemand, den ich zu jener Zeit kennen gelernt habe, ist so ignorant und auf seine Vorurteile versessen, dass er sie nicht überwinden könnte. Keiner schien unfähig den Anderen zu akzeptieren. Eine Gemeinschaft mit grosser Vielfalt, mit ihren Gemeinsamkeiten und ihren Differenzen, aber friedlich in Mit- oder Nebeneinander.

Wieso singe ich dieses Loblied hier? Nun, wenn ich betrachte, wie gross meine Chance in einer Anderen Umgebung gewesen wäre, die selben Erfahrungen zu machen, dann wird die Auswahl schnell sehr klein. Ich wurde zum ersten Mal einfach akzeptiert, ob jemand mich mochte oder nicht, entschied er/sie dann selbst, aber meine Anwesenheit wurde geduldet und wer mich nicht mochte ging, mir aus dem Weg, anstatt mir Steine in den Weg zu legen. Ich habe dabei wohl auch sehr viel gelernt, denn in der Retrospektive war ich oft stärker von Vorurteilen beeinflusst, als Andere. Auch das "Programm Sozialverhalten" dass ich mir von der ach so braven und gut erzogenen Gesellschaft abgeschaut habe, war  oft wesentlich weniger human und sozial, als das was ich im Kreis jener "dunklen Gestalten" erfahren habe.

Leute, DANKE! Es war an der Zeit, dies zu sagen. Danke für die Lagerfeuerrunden irgendwo im Nirgendwo, bei denen wir uns  halb totgelacht haben. Danke für die durchzechten Nächte und das Kehle-herausbrüllen während und nach Konzerten. Danke für die volkommen bekloppten Runden in Bars und auf Festivals. Danke an euch, ihr vollkommen bekloppten, ultraphösen Männer (und auch Frauen ;D)!

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